Galina Sharova, Raisa Melnik, Yaroslava Tsallagova
Wissenschaftliche Gesellschaft Autismus-Spektrum (WGAS) e. V.
Redaktion: Anna Carnap, Jennifer Kirchner, Berlin, 2013
St.Petersburger Wohltätigkeitsorganisation „Krisen-Zentrum für Kinder“ Hintergrund: Die Russische Gesellschaft ist leider immer noch nicht bereit, Behinderte einzugliedern. Das Autismus-Syndrom birgt in sich seine gezwungene, krankheitsbedingte Abwehrselbstisolation. Aufgrund dieser gegenseitigen Geschlossenheit wird die Sozialisierung der Menschen mit Autismus-Spektrum-Störungen (ASS) praktisch unmöglich. Die Menschen mit Autismus bleiben in unserem Land eine der besonders ungeschützten und ignorierten Gruppen der Bevölkerung. Diese Nicht-Bereitschaft der Gesellschaft, Menschen mit Entwicklungsbesonderheiten zu akzeptieren und einzugliedern, hat ihre spezifischen psychologisch- und sozialbedingten Abwehrmechanismen. Teilweise ist das mit der sozialen Politik der sowjetischen Periode verbunden. Andererseits: komplexere Empfindungen, die daraus hervorgehen, dass man solche Begriffe wie „Krankheit=Behinderung“, „krank=behindert“ schon in der Kindheit von den bedeutsamen Erwachsenen samt der Information über die „besonderen“ Menschen vermittelt bekommt. Dem Kind wird oft unbewusst das ignorierende, abneigende Verhaltensmuster in Bezug auf das Behinderte vermittelt und es wird dann emotional verankert. So entsteht der innere Konflikt: die Gesellschaft spaltet sich für das Kind und das gesamte Weltbild erscheint nicht mehr als eine Einheit. Unsere Arbeit besteht eben darin, diese psychologische und soziale Gesamtheit der Menschenwelt wieder herzustellen.
Methode: Soziales Experiment. In der St.Petersburger Wohltätigkeitsorganisation „KrisenZentrum für Kinder“ wurde das Projekt „Sphäre der Freude“ realisiert, das schon seit acht Jahren läuft. Das ist eine Gemeinschaft, deren einer Teil Menschen mit autistischer Störungen (ASS) darstellt (30 Personen), ein anderer Teil bildet ihre nächste Umgebung (Familie), die dritten sind die Menschen, die mit Problemen des Autismus nicht betroffen sind, die aber motiviert sind, den Menschen mit ASS zu helfen und sie in ihrer Sozialisierung zu unterstützen. Das sind gewöhnlich 10-15 ständig eingesetzte Volontäre. In acht Projektjahren waren das mehr als 1000 Beteiligte. Die Menschen mit ASS (das sind in der Regel junge Leute, die den Autismus als Haupt- oder Nebendiagnose haben) treffen sich wöchentlich mit den anderen (nicht betroffenen) Menschen unterschiedlicher Berufe und Altersgruppen, die das Zentrum entweder regelmäßig oder aber nur gelegentlich besuchen, um Kontakte zu pflegen, interessante Entwürfe der Zusammenarbeit zu realisieren und, natürlich, um zu helfen. Das Volontär-Team wird immer erneuert.
Instrumente: Das sind die Durchführung der Gruppentreffen, Gespräche, Interviews, expressive Therapie, Musik- und Arttherapie, inklusive Beobachtung, Beratung und Aufsicht über die Arbeit der Volontäre, gemeinsame Analyse der durchgeführten Arbeit und Selbstreflexion. Nach jedem Treffen besprechen die Volontäre alles, was während des Treffens vorgekommen ist und suchen zusammen nach der Lösung für die entstandenen Probleme, sprechen über ihre Gefühle.
Ergebnisse: So entsteht die informierte, freundliche und verständnisvolle Umwelt. Das ist eine notwendige Voraussetzung für den Ausgleich der Defizite an der sozialen Erfahrung der autistischen Menschen. So wird ihr Bedürfnis nach Kontakten realisiert und sie entwickeln sich emotional und sozial. Volontäre ihrerseits sammeln eine ganz neue soziale und psychologische Erfahrung: sie machen sich den persönlichen Wert der Menschen mit ASS, als auch den der Gemeinschaft mit Abstracts 70 ihnen bewusst. Sie machen sich also bewusst, dass nicht nur Spezialisten Hilfe leisten können. Dasist die Hilfeleistung durch die Akzeptanz und Nicht-Ignoranz. Dabei entstehen statt negativer Gefühleandere Emotionen: Interesse, Bewunderung, Genugtuung von einem ganz neuen Kontakt.
Schlussfolgerungen: Die Schaffung des Kontaktumfelds für die Menschen mit ASS und des breiten Kreises der miteinbezogenen Volontäre mit dem Fokus auf die emotionale Sphäre kann zur „gegenseitigen“ Therapie führen. Die Kommunikation kann also interessant sein und einen hoch kreativen Realisierungswert haben und als FREUDE erlebt werden.
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Galina Sharova, Krupskaya Str., 7/32, 192029 Sankt-Petersburg Tel: 8-911-719-37-40, Fax: +7(812)-371-61-13, Email: 5670187@mail.ru, chcc@mail.ru